Die Anthropologie des Staates befasst sich mit Staatlichkeit als sozialer Praxis. Sie wendet sich gegen eine konzeptionell vereinfachende Defizitanalyse, die spezifische – idealtypische und historische – politische Organisationsformen privilegiert. Die Anthropologie des Staates begreift die heterogenen Erscheinungsformen von Staatlichkeit als Ergebnis strukturierter Interaktionen in einer von asymmetrischen Beziehungen gekennzeichneten Weltgesellschaft. Die konkrete Umsetzung, Reproduktion und Veränderung von Staatlichkeit in lokalen Kontexten ist wesentlich von internationalen und transnationalen Prozessen und deren Wechselwirkungen beeinflusst. Die Anthropologie des Staates problematisiert die Idee „des“ Staates als einer von der Gesellschaft klar abgegrenzten und kohärenten Einheit und macht diese Idee sichtbar als ein Produkt von Praktiken – insbesondere der Repräsentation. Damit rücken die Grenzziehungen zwischen Staat und Zivilgesellschaft oder die Dichotomie von Öffentlichem und Privatem ins Zentrum des Forschungsinteresses.
Forschungsfelder sind die alltäglichen Praktiken staatlicher Akteure, die Frage, wie administrative und bürokratische Praxis generiert wird und wie zum Beispiel in Behörden, Schulen, Gerichten, aber auch im Alltagshandeln der Bürgerinnen und Bürger staatlich sanktionierte Rechte und Pflichten sowie Kriterien der Inklusion und Exklusion ausgehandelt werden.
Im Masterprogramm „Anthropologie des Transnationalismus und des Staates“ (ATS) bilden diese theoretischen Überlegungen und Forschungsfragen einen zentralen Studienschwerpunkt.