HS23: Postmigrantische Musikarchive

Mini-Festival zu Sounds und Stimmen aus dem Migrationsuntergrund

16.-18. November 2023

Turnhalle Bern / Tojo Theater / Kino in der Reitschule / PROGR

Populärkultur und Musik sind wichtige Orte in der postkolonialen und postmigrantischen Gesellschaft, um Fragen von Rassismus, Transnationalismus und Mehrfachzugehörigkeit zu verhandeln. Reggae, British Underground, Turbofolk, Hip-Hop oder weitere Subkulturen verkörpern das Leben und die Geschichte(n), die Migration mit sich bringt.

Wie kann Musik als Archiv für eine vielstimmige, rassismuskritische Gesellschaft wirken? Welche unbekannten Geschichten und Visionen von Widerstand und Solidarität stecken in der Musik? Wie lassen sich Erinnerungen durch Musik wecken und dadurch gesellschaftliche Veränderungen verhandeln?

In einem transdisziplinären Programm mit Film, Musical Lecture, Gesprächen, einer sozialen Jukebox und Party spüren wir ethnografisch, künstlerisch und gesellschaftspolitisch der Erinnerung in der Migrationsgesellschaft nach und erproben ihr Potential für eine vielstimmige Gegenwart.

Vor einem Jahrhundert, am 29. Oktober 1923, wurde in der Folge des Vertrags von Lausanne die Republik Türkei gegründet. Aus diesem Anlass wollen wir einen Blick auf die Geschichte und Gegenwart des Landes werfen – jenseits der Klischeebilder vom Nationalhelden Atatürk und vom „Sultan“ Erdoğan. Zwischen der offiziellen Erfolgsgeschichte, hartnäckigen orientalistischen Stereotypen und politischen Machtkämpfen suchen wir nach der „anderen“ Türkei: nach einer vielschichtigen, dynamischen und widerständigen Gesellschaft, die sich den inneren Spannungen und den globalen Herausforderungen stellt.

In dieser „anderen“ Türkei kämpfen marginalisierte Gruppen um Minderheitenrechte und politische Repräsentation, fordert eine aktive feministische und LGTBQI-Bewegung gesellschaftliche Strukturen heraus, stellt sich die einfache Landbevölkerung einem Bulldozer-Kapitalismus entgegen und entstehen neue Solidaritäten mit Geflüchteten. Umweltgruppen legen die Strukturen einer ungebremsten Bauwirtschaft offen, die für die katastrophalen Folgen des Erdbebens im Februar mitverantwortlich ist, und beteiligen sich zugleich am globalen Kampf gegen den Klimawandel. Gleichzeitig stellt eine lebhafte transnationale Popkultur, die sich im Land und in der Diaspora immer wieder neu erfindet, die Machtverhältnisse kreativ in Frage.

Wir wollen mit unserer Podiumsdiskussion auf diese Dynamiken und Widersprüche in Geschichte und Gegenwart aufmerksam machen und über Verflechtungen dieser Türkei mit der Schweiz und Europa diskutieren.

Ein Gespräch mit der Journalistin und Autorin Çiğdem Akyol, der Soziologin Bilgin Ayata, der Historikerin Elife Biçer-Deveci und der Basler Grossrätin Edibe Gölgeli. Moderation: Ali Sonay und Christoph Ramm.

Eine Zusammenarbeit mit ciné liminal und der Studien- und Forschungsstelle Schweiz-Türkei.

LIEBE, DEUTSCHMARKEN UND TOD erzählt die Geschichte einer wenig bekannten Musiktradition in der deutsch-türkischen Diaspora. Zwischen Fließbandjobs und Rassismus, Heimweh und Familiennachzug entstand eine einzigartige Klangkultur: Vom psychedelischen Treiben des Folk-Duos Derdiyoklar über den Rapper Muhabbet bis hin zu diversen auf Kurdisch und Arabisch singenden Hochzeitsbands. Im dokumentarischen Essay entführt Regisseur Cem Kaya seine Zuschauer in ein schillerndes Universum der musikalischen Vielfalt: Melancholisch, aber tanzbar, politisch, aber fröhlich, larmoyant im Ausdruck, aber aufrichtig.

Danach lassen wir den Abend mit Assoziationen, Geschichten und Musik aus der Community auspendeln.

Eintritt frei / Kollekte

In Zusammenarbeit mit ciné liminal und der Studien- und Forschungsstelle Schweiz-Türkei.

In einer gemütlichen Sofalandschaft stellen Gäste und Publikum Songs und Clips vor, die in ihrem Leben eine prägende Rolle gespielt haben. Sie erzählen die Geschichten dahinter und dabei trifft Mani Matter auf M.I.A., The Clash vermischt sich mit Ahmet Kaya und Miriam Makeba begegnet Kendrick Lamar. Oder ganz anders...

Die Sounds und Storys aus dem Migrationsuntergrund branden unkontrolliert an die Oberfläche und fordern die alteingesessene Schweiz heraus. Wie hört sich eine Neue Schweiz voller Migration und Globalisierung an? Welche Rhythmen und Vibes beseelen sie? Welche unbekannten Geschichten und Aspirationen prägen sie? Eine soziale Jukebox, die Musikstücke und Geschichten der Besucher:innen als Archiv und gelebte Utopie aufleben lässt.

Mit Migmar Dolma (INES / Syna), Merita Shabani (babanews) + Surprise Guest

Hosts: Ugur Gültekin & Rohit Jain

Danach Musik und Bar / Eintritt frei / Kollekte

> Reservation: https://www.tojo.ch/reitschule/tojo/

In einem öffentlichen Werkstattgespräch am Nachmittag diskutieren wir mit Imran Ayata (Songs of Gastarbeiter), der Kulturwissenschaftlerin Jelica Popović (PH Zürich) und dem Musikethnologen Thomas Burkhalter (Norient) über musikalische Strategien der Erinnerung und Transformation. Wie wirkt Musik als Archiv? Wie können Musikarchive als Medien einer vielstimmigen Erinnerungspolitik genutzt werden. Gibt es Beispiele rassismuskritischer musikalischer Archive in der Schweiz?

Das Publikum ist eingeladen, eigene Perspektiven, Beispiele und Erfahrungen zu teilen und zur kollektiven Spurensuche beizutragen.

Hauptsitz im PROGR

Turnhalle Bern

Der Berliner Autor Imran Ayata (u.a. Kanak Attak) und der Münchner Künstler Bülent Kullukcu (u.a. Generation Aldi) haben in Archiven gewühlt, Musiksammlungen ihrer Eltern und Bekannten durchforstet, bei Freunden und Fremden nachgebohrt, um Songs der ersten Einwanderergeneration zu finden. Das Ergebnis: eine Platte von längst vergessenen Songs einer Musikrichtung, die drohte, verloren zu gehen. Nach der schon legendären Show „Songs of Gastarbeiter Vol 1“, die im Herbst 2019 auch in Bern aufgeführt weitet der zweite Streich von AYKU die musikalischen Erinnerungen aus auf internationale Songs aus. In ihrer Musical Lecture erzählt das Duo anhand der gesammelten Musik eine „andere“ Geschichte Deutschlands – begleitet von Filmsequenzen, Fotocollagen sowie Anekdoten, und vor allem mit viel Witz und Charme. 

Eintritt Fr. 20.- / 10.- / Danach DJ-sets mit AYKU und Radio Rapha

Tickets und weitere Infos

> Tickets unter https://www.turnhalle.ch

> Weitere Infos

https://www.songs-of-gastarbeiter.com///

https://trikont.de/category/compilations/reihen/songs-of-gastarbeiter/

 

Impressum

Das Mini-Festival „Postmigrantische Musikarchive“ wird durchgeführt vom Institut für Sozialanthropologie in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Schweiz-Türkei, dem ciné liminal und dem Berner Rassismusstammtisch, der Turnhalle Bern, dem Tojo Theater und dem Kino in der Reitschule. Ziel ist ein stärkere Verbindung anthropologischer Forschung mit künstlerischen, journalistischen und gesellschaftspolitischen Ansätzen im öffentlichen Raum.

Wir danken der Universität Bern, der Fachstelle für Rassismusbekämpfung, der Burgergemeinde Bern, der Ernst Göhner Stiftung, der Stiftung Temperatio und der philosophisch-historischen Fakultät für die finanzielle Unterstützung.

Kuration und Kontakt:

Dr. Rohit Jain, Projektleiter -> rohit.jain@unibe.ch

Nimal Borloud, Produktionsassistenz -> nimal.bourloud@students.unibe.ch